Mittwoch, 18. Dezember 2013

"Botschafter" - Ein Theaterprojekt für Menschen mit langjährigen Haftstrafen



Unter dem Arbeitstitel "Botschafter" ist seit bald acht Monaten ein Theaterprojekt in intensiver Planung, das die besondere Lebenssituation von langzeitinhaftierter Menschen reflektiert. Das Projekt soll mit einer Gruppe von männlichen Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen über einen längeren Zeitraum erarbeitet werden.
Eingesperrt sein auf engstem Raum, zerplatzte Träume, ein strenges Reglement, "Knastkultur", gesellschaftliche Isolation, die schwierige Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld und mit dem Sinn des eigenen Lebens. Kleine Hoffnungen: eine Extra-Ration Tabak, eine Brieffreundin im Frauenknast, ein Musikinstrument, ein paar Blatt Papier und ein Stift. Und immer nur man selbst. Das und ähnliches ist der Themenkosmos, aus dem eine Eigenproduktion entstehen soll.
Die theaterpädagogische Arbeit an der Entwicklung, Inszenierung und Aufführung des Stücks bietet den Langzeitinhaftierten einen Rahmen zu formulieren und auf künstlerische Weise sichtbar zu machen, was sonst hinter hohen Mauern verborgen bleibt. Das Projekt und die Aufführung sollen für die Strafgefangenen eine Brücke, ein Sprachrohr, eine künstlerisch-diplomatische Vertretung in die Öffentlichkeit sein. Mit dem Ziel, mehr Verständnis für die Situation der Strafgefangenen zu erreichen und Vorurteile in der Gesellschaft abzubauen.

Warum?
Durch die nunmehr mehrjährige Beschäftigung mit Theaterarbeit im Strafvollzug sind wir auf die besondere Problematik von Menschen mit langen Haftstrafen aufmerksam geworden. Dieser Personenkreis, der allen gesellschaftlichen Schichten und Bildungshintergründen entstammt, hat in der Regel schwere Straftaten begangen. Oft ist der Grat zwischen "Normalbürger" und "Schwerverbrecher" allerdings viel schmaler als man es gewöhnlich denkt.
Die Situation der "Schwerverbrecher" ist einerseits ein gesellschaftliches Tabu-Thema und gleichzeitig kocht die Volksseele hoch. Es herrschen Vorurteile von "Hotelvollzug" bis zur Forderung nach drakonischen Bestrafungen und "Wegsperren für immer". Es scheint immer mehr zu einer Frage zu werden, ob unsere Gesellschaft nach wie vor auf einen resozialisierenden Strafvollzug setzen will bzw. überhaupt noch gewillt (geschweige denn in der Lage) ist, diesen zu realisieren. Theaterarbeit ist ein vielfältig wirksamer Weg, um Bewegung in solcherart festgefahrene Positionen und scheinbar  zementierte Situationen zu bringen. Sie fördert den gesellschaftlichen Dialog in einem schwierigen Feld und stiftet Beziehungen über hohe Mauern in den Köpfen hinweg. Denn schließlich wird nach unserer Auffassung kein Weg daran vorbei führen zu erkennen, dass letztlich unsere Gesellschaft selbst einen erheblichen Anteil dazu beiträgt, dass die Kriminalitätsraten steigen, indem immer mehr Menschen – wie selbstverständlich - von gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe ausgeschlossen werden.
Die Ausarbeitung und Umsetzung des Theaterprojektes als auch die vom Studio 13 Theaterinstitut entwickelte theaterpädagogische Vorgehensweise sollen den Inhaftierten neue (künstlerische) Möglichkeiten eröffnen, sie kulturell sowie gesellschaftlich besser integrieren und ihnen ein Sprachrohr sowie eine Brücke in die Gesellschaft anbieten.

Wie?
Das Theatertraining, die schauspielerische Grundlagenarbeit, die Entwicklung des Stücks, der Rollen und Szenen sowie die Inszenierungsarbeit werden von einem Team aufeinander eingespielter theaterpädagogischer Kräfte betreut. Gearbeitet wird dabei auch mit den Mitteln einer dramatischen Schreibwerkstatt mit Anleitungen zum Verfassen von Monologen, Dialogen und Szenen sowie praktischen Improvisationen zur Gewinnung von dramatischem Material. Im Focus steht hier die gezielte Vermittlung von Fertigkeiten in den Bereichen Schauspiel, Dramaturgie und szenischem Schreiben. 
Das pädagogische Konzept wurde speziell für die Zielgruppe entworfen. Modellhaft ist die praktische und gelebte Zusammenarbeit zwischen den inhaftierten Amateurschauspielern und professionellen Theaterleuten. Das Zusammenspiel der Strafgefangenen mit professionellen Theaterleuten gehört zu den Grundprinzipien unserer Theaterarbeit im Strafvollzug. 
Zielpunkt sind öffentliche Aufführungen des Projektes in der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen. Das Publikum der Aufführungen soll dabei gemischt sein aus Strafgefangenen, Personal und Repräsentanten der Justizvollzugsanstalt sowie städtischer Öffentlichkeit. Anschließend soll jeweils eine Diskussion zwischen Akteuren und Zuschauern stattfinden. 

Projektziele zusammengefasst:
Das Projekt schafft eine künstlerische Ausdrucksplattform für eine gesellschaftlich stark geächtete und ausgegrenzte Personengruppe. Gleichzeitig nimmt sich das Projekt eines gesellschaftlich derzeit brisant diskutierten und stark mit Vorurteilen belasteten Themas an.
Der Abbau von Vorurteilen und der Aufbau guter künstlerischer sowie "diplomatischer" Beziehungen zur Gesellschaft sind die vorrangigen Ziele des "Botschafter"-Projektes.

Mit seiner Gefängnistheaterinitiative, den „Gib ein Zeichen“-Projekten für jugendliche Strafgefangene und dem neuen „Botschafter-Projekt“ für Menschen mit langjährigen Haftstrafen, möchte das Studio 13 Theaterinstitut an eine lange Gefängnistheatertradition anknüpfen und dieser in Bremen neues Leben einhauchen. Seit jeher gehört es zu den zentralen Aufgaben des Theaters, gesellschaftliche Belange in den Blick zu nehmen und Missstände zu thematisieren. Uns liegt daran, dies nicht nur auf der üblichen Bühne zu tun, sondern zusammen mit den Betroffenen die kreativen Kräfte freizusetzen, die das Theater ermöglicht und damit bei den Betroffenen und den Zuschauenden Erkenntnisprozesse in Gang setzen. 

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