Unter dem Arbeitstitel "Botschafter" ist seit bald acht Monaten ein Theaterprojekt in intensiver Planung, das die
besondere Lebenssituation von langzeitinhaftierter Menschen reflektiert. Das Projekt soll mit einer Gruppe von männlichen Strafgefangenen in der
Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen über einen längeren Zeitraum erarbeitet werden.
Eingesperrt sein auf engstem Raum, zerplatzte Träume, ein
strenges Reglement, "Knastkultur", gesellschaftliche Isolation, die
schwierige Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld und mit dem Sinn des
eigenen Lebens. Kleine Hoffnungen: eine Extra-Ration Tabak, eine Brieffreundin
im Frauenknast, ein Musikinstrument, ein paar Blatt Papier und ein Stift. Und
immer nur man selbst. Das und ähnliches ist der Themenkosmos, aus dem eine Eigenproduktion
entstehen soll.
Die theaterpädagogische Arbeit an der Entwicklung,
Inszenierung und Aufführung des Stücks bietet den Langzeitinhaftierten einen Rahmen
zu formulieren und auf künstlerische Weise sichtbar zu machen, was sonst hinter
hohen Mauern verborgen bleibt. Das Projekt und die Aufführung sollen für die
Strafgefangenen eine Brücke, ein Sprachrohr, eine künstlerisch-diplomatische
Vertretung in die Öffentlichkeit sein. Mit dem Ziel, mehr Verständnis für die
Situation der Strafgefangenen zu erreichen und Vorurteile in der Gesellschaft
abzubauen.
Warum?
Durch die nunmehr mehrjährige Beschäftigung mit
Theaterarbeit im Strafvollzug sind wir auf die besondere Problematik von
Menschen mit langen Haftstrafen aufmerksam geworden. Dieser Personenkreis, der
allen gesellschaftlichen Schichten und Bildungshintergründen entstammt, hat in
der Regel schwere Straftaten begangen. Oft ist der Grat zwischen
"Normalbürger" und "Schwerverbrecher" allerdings viel
schmaler als man es gewöhnlich denkt.
Die Situation der "Schwerverbrecher" ist
einerseits ein gesellschaftliches Tabu-Thema und gleichzeitig kocht die
Volksseele hoch. Es herrschen Vorurteile von "Hotelvollzug" bis zur
Forderung nach drakonischen Bestrafungen und "Wegsperren für immer".
Es scheint immer mehr zu einer Frage zu werden, ob unsere Gesellschaft nach wie
vor auf einen resozialisierenden Strafvollzug setzen will bzw. überhaupt noch
gewillt (geschweige denn in der Lage) ist, diesen zu realisieren. Theaterarbeit
ist ein vielfältig wirksamer Weg, um Bewegung in solcherart festgefahrene
Positionen und scheinbar zementierte
Situationen zu bringen. Sie fördert den gesellschaftlichen Dialog in einem
schwierigen Feld und stiftet Beziehungen über hohe Mauern in den Köpfen hinweg.
Denn schließlich wird nach unserer Auffassung kein Weg daran vorbei führen zu
erkennen, dass letztlich unsere Gesellschaft selbst einen erheblichen Anteil
dazu beiträgt, dass die Kriminalitätsraten steigen, indem immer mehr Menschen –
wie selbstverständlich - von gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe
ausgeschlossen werden.
Die Ausarbeitung und Umsetzung des Theaterprojektes als auch
die vom Studio 13 Theaterinstitut entwickelte theaterpädagogische
Vorgehensweise sollen den Inhaftierten neue (künstlerische) Möglichkeiten
eröffnen, sie kulturell sowie
gesellschaftlich besser integrieren und ihnen ein Sprachrohr sowie eine Brücke in die Gesellschaft anbieten.
Wie?
Das Theatertraining, die schauspielerische Grundlagenarbeit,
die Entwicklung des Stücks, der Rollen und Szenen sowie die Inszenierungsarbeit werden von einem Team aufeinander eingespielter theaterpädagogischer Kräfte betreut. Gearbeitet wird
dabei auch mit den Mitteln einer dramatischen Schreibwerkstatt mit Anleitungen zum
Verfassen von Monologen, Dialogen und Szenen sowie praktischen Improvisationen
zur Gewinnung von dramatischem Material. Im Focus steht hier die gezielte
Vermittlung von Fertigkeiten in den Bereichen Schauspiel, Dramaturgie und szenischem
Schreiben.
Das pädagogische Konzept wurde speziell für die Zielgruppe
entworfen. Modellhaft ist die praktische und gelebte Zusammenarbeit zwischen
den inhaftierten Amateurschauspielern und professionellen Theaterleuten. Das
Zusammenspiel der Strafgefangenen mit professionellen Theaterleuten gehört zu
den Grundprinzipien unserer Theaterarbeit im Strafvollzug.
Zielpunkt sind öffentliche Aufführungen des Projektes in der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen. Das Publikum der Aufführungen soll dabei gemischt sein aus Strafgefangenen,
Personal und Repräsentanten der Justizvollzugsanstalt sowie städtischer
Öffentlichkeit. Anschließend soll jeweils eine Diskussion zwischen Akteuren und
Zuschauern stattfinden.
Projektziele
zusammengefasst:
Das Projekt schafft eine künstlerische Ausdrucksplattform
für eine gesellschaftlich stark geächtete und ausgegrenzte Personengruppe.
Gleichzeitig nimmt sich das Projekt eines gesellschaftlich derzeit brisant
diskutierten und stark mit Vorurteilen belasteten Themas an.
Der Abbau von Vorurteilen und der Aufbau guter
künstlerischer sowie "diplomatischer" Beziehungen zur Gesellschaft
sind die vorrangigen Ziele des "Botschafter"-Projektes.
Mit seiner Gefängnistheaterinitiative, den „Gib ein
Zeichen“-Projekten für jugendliche Strafgefangene und dem neuen
„Botschafter-Projekt“ für Menschen mit langjährigen Haftstrafen, möchte das
Studio 13 Theaterinstitut an eine lange Gefängnistheatertradition anknüpfen
und dieser in Bremen neues Leben einhauchen. Seit jeher gehört es zu den
zentralen Aufgaben des Theaters, gesellschaftliche Belange in den Blick zu
nehmen und Missstände zu thematisieren. Uns liegt daran, dies nicht nur auf der
üblichen Bühne zu tun, sondern zusammen mit den Betroffenen die kreativen
Kräfte freizusetzen, die das Theater ermöglicht und damit bei den Betroffenen
und den Zuschauenden Erkenntnisprozesse in Gang setzen.